Der gefürchtete 1.Jahrestag

Ja wo steckt die Alte denn nur? War sie weg? Mag sie uns nicht mehr?
Blödsinn, aber ich hatte einige wichtige Daten für mich zu verdauen und sowas kann ich immer am Besten in dem ich abtauche, vergrabe und mal nur bei mir bin.
Ich wusste nicht was und vor allem wie ich es schreiben sollte, etwas was mir normalerweise nur im direkten verbalen Kontakt passiert.
Ich saß da und das was ich fühlte war einfach so tief in mir, dass ich es nicht fassen konnte, erst recht nicht in Worte.
Die Zeit der Diagnose, mein Geburtstag an dem der Anruf kam für den Fetozid, der Tag des Fetozids selber und Goldstücks Geburtstag... diese Tage haben sich zum ersten Mal gejährt um es mal genau zu sagen.
Mäusekind ist also offiziel kein Baby mehr,vielmehr ein kleiner einjähriger Engel,.. ich weiß nicht, vielleicht kannst du mit deinen kleinen Flügeln schon kräftig schlagen und deine ersten Flugversuche starten, so wie die Kinder hier in dem Alter die erst Steh- und Gehversuche unternehmen.
Aber nun egoistisch zu mir. Wie hat Muddi die Zeit er- und überlebt? Ich muss euch enttäuschen, denn wer an ein tränenreiches Drama glaubt, an dem ich dramatisch geschminkt schluchzend über dem Grab zusammenbreche und schreie, der hat sich getäuscht, wobei es vielleicht mal reizvoll wäre, Gefühle so auszuleben. Stattdessen war es ruhig. Einige wenige, dafür umso wertvollere Menschen haben an uns gedacht am 09.09., denn das ist ihr Geburtstag. Und als es plötzlich soweit war, dieses Datum im Kalender stand, war es nicht anders als jeder andere Tag davor auch. Ich glaube weil ich jeden Tag sehr intensiv an sie denke. Ich brauche keinen Tag um mich an sie zu erinnern, ich tue es ohnehin dauernd. Allerdings hat mich meine eigene hilflose Situation in diesen Tagen wieder eingeholt. Die Geburtssituation, der Moment in dem ich sie im Arm hatte, das Gefühl von bedingungsloser Liebe, die Seelenschmerzen davor, dieses ganze sureale Prozedere davor. Mir ist klar geworden, was ich überhaupt letztes Jahr geleistet habe und es eigentlich ein kleines Wunder ist, dass ich nach einem Jahr, wieder so stabil im Leben stehe. Denn ich verstehe die Statistik gut, die Anzahl der Frauen die danach in eine Psychatrie kommen oder sich etwas antun. Und dann kam die Frage auf wie ich das denn geschafft habe. Ehrlich? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass mein Kind nichts schlimmes ist und ich das Leben trotz allem mag. Ich mag die Jahreszeiten, die zeigen wie unbeständig alles ist, alles vergeht und kommt wieder, ist es so nicht auch mit dem Leben? Hätte ich nach diesem Jahr aufgehört zu leben hätte ich meinen zweiten Frühling nicht erlebt und der war schön. Natürlich hätte ich heute lieber eine kleine, zahnende Hummel neben mir sitzen, habe ich aber nicht. Ich habe nun Lebenserfahrung, ein Lebensverständnis, dass nur durch schweres Schicksal kommt und die Einsicht, dass man tatsächlich alles überleben kann.
In Notsituationen funktioniere ich einfach, ich weiß, dass ich alles überlebe solange ich es will. Dieses Wissen macht frei, macht glücklich, macht dankbar. Das war das größte Geburtstagsgeschenk meiner Tochter an mich, ich schenke ihr dafür meine Liebe, mein Herz, den Platz der Erstgeborenen, der Unvergessenen, den Platz der für immer Geliebten, meine Große, meine Kleine, mein Ein und mein Alles. Du bist so viel größer, dein Anwesenheit so viel presenter als alle glauben. Mama und Papa lieben dich, werden dich immer leben. Dein Andenken halten wir hoch, wie ein Leuchtfeuer für ewige Liebe.
Danke, dass es dich gibt.

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