Lernen seine Trauer auszudrücken

Jemand, den ich nicht persönlich kenne, aber mich doch sehr berührt und mein Schicksal teilt, dieser jemand ist zum zweiten Mal Sternenmama geworden und es bricht mir das Herz! Nicht du fügst mir Leid zu, mein Herz, sondern die Tatsache, dass ich keine Mama da draußen davor schützen kann und niemand davor sicher ist, ohne Angst davor zu machen.
Dieser Moment, wenn deine Welt plötzlich zusammenbricht. Du stehst im strahlenden Sonnenschein vor einer atemberaubenden Kulisse. Eine Steilküste, der Horizont breitet sich mit einem wundervollen Glitzern vor dir aus, du siehst die Zukunft, endlich atmest du durch. Du bist frei, der Wind zerzaust dir die Haare, vor dir geht es steil runter, aber du stehst sicher. Denkst du.
Und plötzlich bist du unter Wasser, es ist kalt, dein Sommerkleid, was eben noch im Wind wehte, zieht dich mit Wasser vollgesogen in die Tiefe.
Die so standhaften Klippen hatten Risse, doch man hat dich dennoch darauf gehen lassen.
Dein frischerbautes Wolkenschloß konnte dem Riss nicht standhalten und nun ist diese Klippe mit dir ins Meer gestürzt, der Boden unter den Füßen ist einfach weg und du willst Luft holen, doch da ist nur Wasser. Kalt, dunkel, salzig.
Deine Ohren rauschen von dieser Tiefe und du weißt nicht wo du bist, zu nah am Meeresboden, versuchst dennoch nach oben zu kommen.
Du bist wieder da wo du begonnen hast, unter Wasser, tauchst auf, versuchst an Land zu schwimmen, aber du bist müde.
Nachts wachst du auf, wie ein Schiffbrüchiger im eigenen Traum. Die Tränen sind echt. Kein Traum. Sie erinnern einmal mehr an den Untergang, salzig.
Die Silhouette von dem was man niemals mehr bei sich haben wird, tief in die Seele eingebrannt, sitzt du da. Weil du nun mehr bist, als du jemals dachtest sein zu können und dabei doch so einsam wie nie warst.
Ich will dich aus diesem Sog retten, jede da draußen im Strudel, aber auch ich kämpfe. Bin gekentert, gestrandet, alles auf Anfang und da steht man wieder. Und kann es selbst nicht fassen. Der Kampf gegen die Gezeiten, den man nur verlieren kann, wenn man nicht mit ihnen geht.
Und doch möchte ich dir einen Geschichte erzählen. Angelehnt ist diese Geschichte an die von Emily Perl Kingsley " Willkommen in Holland". 
Nur wir landen in Kanada, auf einem anderen Kontinent. Auch wollten wir nicht nach Italien, wir wollten eine Weltreise beginnen. Eine Weltreise die unser Leben verändern sollte, wir wollten eine neue Welt entdecken, wo wir doch bisher nur unsere eigene kleine Welt kannten. Wollten aufbrechen und haben den Flughafen mit allen Kontrollen hinter uns gelassen, Gepäck aufgegeben und saßen im Flugzeug. Hatte man uns nicht gesagt, dass das Fliegen sicher sei? Und doch sind plötzlich die Sauerstoffmasken aus der Decke gekommen und wir sind mitten in Kanada abgestürzt. Irgendwo im Nirgendwo, wir leben, aber mehr auch nicht.  Um uns ist der Tod und wir rennen weg, panisch, verwirrt, verzweifelt. Rennen, weil wir sonst nicht wissen was wir machen sollen, wir wissen nur, wir müssen da weg sonst sterben wir auch.
Wir haben erst mal keine Ahnung wo wir sind, wo ist hier Zivilisation? Nach dem anfänglichen Schock realisieren wir immer mehr, dass wir irgendwas finden müssen um zu überleben, machen die erste Pause um Luft zu holen, Wasser zu trinken, wir versuchen uns zu  orientieren. Überall stehen Bäume, Nebel, es ist kalt. Abgestürzt in der Fremde, niemand der uns findet, der uns helfen kann.
Aber irgendwann sehen wir dann endlich Umrisse, eine Hütte im Wald, unser erster Unterschlupf. Wir können uns etwas ordnen, frisch machen, eine Pause, sind geschützt und haben etwas zu essen, wir kommen etwas zu Kräften und können unsere Lage analysiere. Wir wissen was passiert ist, kennen unsere derzeitige Lage, das macht es nicht besser aber hilft uns selber etwas, wenn schon kein anderer einem helfen kann. Und so bleiben wir in dieser Hütte, wir sind erstmal sicher, richten uns in der neuen Situation ein, lernen unsere Umgebung dort kennen, fangen sogar ab und an einen Fisch im Fluß, wenn uns der Dosenfraß nervt. Das sind Highlights, aber kein Alltag.
Bis zu dem Tag, an dem unser Schock sich verändert hat und wir weiter wollen, wir wollen Menschen finden, sind einsam, vielleicht haben ja sogar ein paar andere Menschen überlebt beim Absturz?
Wir packen uns also einen Rucksack und nehmen uns die Dinge mit, die uns Sicherheit geben und merken uns den Weg zur Hütte. Wir gehen und nach gar nicht langer Zeit kommen wir an den Waldrand. Das wir so nah an allem waren ohne es zu merken, so nah an Menschen, dass entsetzt uns etwas, so schnell hatten wir nicht damit gerechnet. Also bleiben wir lieber im Schatten und gucken uns an was da vor sich geht, ob es sicher dort zu sein scheint. Wir verstehen nicht alles und die Menschen dort scheinen auch nicht immer die gleiche Sprache zu sprechen, Französisch und Englisch. Und obwohl wir bis dato nur Englisch konnten, verstehen wir die französisch sprechenden Leute plötzlich in Perfektion. Wir merken dass wir dazu gehören, dass wir nun eine neue Identität haben und stapfen mutig aus dem Wald heraus.
Französisch liegt uns, Sprache des Herzens, können uns auf ihr gut ausdrücken, werden verstanden, während uns das Englische öfter mal Probleme bereitet oder besser gesagt die Kommunikation mit Nicht-Franzosen. Wir haben also überlebt, sind um die Weltreise betrogen worden, vermeintlich um all die Schönheiten dieser Welt und leben nun in Kanada. Dafür können wir eine neue Sprache und unsere Wertschätzung gegenüber vielem hat sich verändert. Unser Leben hier ist nicht schlechter als in Deutschland wo wir vorher gelebt haben, wenn auch nicht mehr so unbeschwert mit dem Mut zur Reise, auch wenn wir davon jede Nacht träumen. 
Aber schlecht ist es nicht, dieses Leben nach dem Absturz. Es ist achtsamer, wir fühlen mehr, haben tolle neue Persönlichkeiten kennen gelernt.
Diese reden von ihren geplanten Reisen und wir wollen auch wieder, das merken wir. Einige haben den Mut und besteigen wieder ein Flugzeug, denn wie wir mittlerweise wissen, leben hier sehr viele die mit dem Flugzeug abgestürzt sind. Einige heben ab und fliegen, alles geht gut, sie starten ihre Reise in die Fremde und wir sind neidisch, dann kommen einige auch wieder zurück, davon einige die die Kontrolle am Flughafen nicht bestanden haben, einige bei denen es technische Schwierigkeiten in der Startphase gab, ein neuer, ein anderer Absturz. Manche von Ihnen versuchen weiter von hier weg zu fliegen, geben den Plan der Weltreise nicht so schnell auf, viele schaffen es tatsächlich, andere bleiben hier und richten sich häußlich ein, idyllisch mit sehr viel Liebe.
Kanada ist gar nicht so schlimm, es ist mehrsprachig und viele Leute sind so herzlich, so nett, man versteht sich. Es gibt vollkommen neue Aus- und Einblicke in ein Leben, dass wir so nie führen wollten. 
Aber auch hier geht die Sonne auf und unter. Auch hier gibt es Lachen und Weinen, gut und schlechte Tage. Die Menschen die dein Absturz-Schicksal teilen, machen es alles erträglicher und irgendwann ist es wieder beinahe normal. Es fühlt sich nach Leben an, nach Genießen, nach Lebensfreude. Man hat überlebt, darüber darf man sich ohne schlechtes Gewissen freuen und erst mal in ein Croissant beißen und dann schwimmen gehen. Wenn man will, fährt man zum Flughafen und guckt wo man am Ende landet. Und es ist okay wenn es die Nächte gibt, in denen einen der Absturz einholt, wieder hochkommt, aber es ist okay, wir haben überlebt.

Das ist die Geschichte wie ich sie fühle, sie empfinde, es auszudrücken, malen, schreiben, tanzen, singen, denken, weinen, lachen... all das sind Formen den Ausdrucks und seine Trauer auszudrücken ist so wichtig! Vergrabt sie nicht in euch sondern sucht euch einen Weg mit ihr. Es ist euer Weg und nur ihr könnt ihn gehen,aber ihr könnt ihn gestalten. Frei, immer wieder neu, mal gradeaus, mal in Kurven, mit immer neuen Kreuzungen. Nicht der Weg ist das Ziel, das Ziel ist der Weg! Ich drück euch!

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