Alltag, der noch keiner ist

Manchmal fühle ich mich an einigen Tagen wie ein ganz normaler Mensch. Goldstück im Herzen, watschel ich ganz glücklich durchs Leben und finde tatsächlich Sachen interessant ohne dies vortäuschen zu müssen. Oft sogar ohne ein schlechtes Gewissen dabei zu haben. Das schlechte Gewissen war am Anfang ganz schlimm, wenn ich mich dabei erwischt habe, gelacht zu haben oder grade in Gedanken wo anders zu sein, dann war es als ob ich Hochverrat an meiner Tochter begangen hätte. Ganz, ganz fies...
Aber wie gesagt, mittlerweile fühle ich mich immer öfter wie ein normaler Mensch und grade als ich recht zufrieden in meiner neu gewonnen Normalität rumdümpelte, da kam der 30. Geburtstag meines Schwagers.
Wie bereits erwähnt, sind er und meine Schwester, während wir unsere Tochter verloren haben, Eltern  von meiner entzückenden Nichte geworden.
Der Clou ist, ich liebe diese kleine Maus, ich habe kein Problem damit. Punkt.
Als dann die Anfrage kam, ob ich mit zur Überraschungsparty mit möchte, dachte ich mir:" Klaaaaaar!". Schwupps zugesagt, Göttergatte wollte nicht aber egal. Geplant war spazieren zu gehen, dann einzukehren, zu essen und dann noch Geschenke.
Ich also am Überraschungstag den Hund eingepackt und hin.
Doch dort angekommen, traf mich die Keule. Vermutlich wäre es sehr hilfreich gewesen, wenn mich tatsächlich eine Keule getroffen hätte. Manchmal denke ich mir, es wäre nach schlimmen Ereignissen doch nett, in ein Koma gelegt zu werden, bis alles wieder gut ist, aber ich schweife ab...
Die metaphorische Keule bestand aus einer Armee aus Kinderwägen, Babys und Kleinkindern. Des Schwagers Freunde mit sämtlichen Resultaten ihrer Fortpflanzung.
Ich musste erstmal schlucken, unvorbereitet auf Menschen zu treffen ist immer noch so eine Sache. Erst recht, wenn ich nicht weiß, ob diese wissen was passiert ist oder nicht und ich mit diesen kommunizieren soll/muss. Das ist mir schnell zu viel. Den Spaziergang habe ich mit Kloß im Hals grade so, ganz gut geschafft. Doch  im Lokal angekommen, brach das Ganze zusammen.
Wie peinlich eine Panikattacke sein kann, weiß man erst wenn man's erlebt hat. Tränen laufen, man bekommt keine Luft mehr, die Hände werden taub und der ganze Körper zittert. In diesem Moment dachte ich ernsthaft ich müsse sterben. Und obwohl ich in absoluter Sicherheit war und noch versuchte mich zu beruhigen, war ich absolut machtlos. Ich bin raus und zum Glück war es bei all dem Kindergeschrei nicht zu auffällig aber trotzdem habe ich mich in Grund und Boden geschämt. Dieser vollkommene Kontrollverlust traf mich sehr, aber ich konnte in der Situation nichts machen.
Meine arme Mama, die mich zu meinem Auto zurück fahren musste, wusste glaube ich nicht wirklich wie ihr geschieht. Mein Verhalten war bis daher recht unauffällig und meine "Normal-Fassade" recht tadellos. Und plötzlich fang ich da in der Öffentlichkeit an zu hyperventilieren. :-D. Es hat mir wirklich Leid getan und zugleich schrecklich geärgert, denn ich möchte nicht als Sorgenkind behandelt werden das kurz vorm Wahnsinn steht. Ich möchte Normalität zwischen meinen Eltern und mir und keine sorgenvollen Anrufe um zu hören ob ich schon vom Balkon gesprungen bin. Ja ich habe vor 4 Monaten meine Tochter verloren, ja sie fehlt mir, ja manchmal bekomm ich's nicht auf die Reihe. Nein, ich gehe noch nicht wieder arbeiten, nein, ich bin nicht irre. Ich brauche eben noch etwas Schutz, Rückzug, wann immer ich diesen brauche. Aber im Allgemeinen finde ich, mache ich meine Sache hervorragend. Für mich sind es ERST 4 Monate und nicht SCHON 4 Monate. Aber ich gucke nach vorne, ich will leben, ich will ein zweites Kind, ich bin zurück. Anders, aber ich bin da. Die paar Panikattacken hin oder her. Nicht, dass ich diese klein reden möchte, aber was stellt man sich danach vor? Ich glaube nicht, dass da einer vollkommen unbeschadet rausgekommen wäre.  Also werde ich lernen damit umzugehen und sie werden weniger und schwächer werden, da bin ich mir sicher. Wenn ich erstmal wieder schwanger bin, dann werde ich auch den letzten Rest "Ich" wiederfinden und das Leben wird aufs Neue aufblühen. (Hoffen wir's doch zumindest mal! :-D)

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